Physiologie des Freitauchens

Hier sollen allgemeine Vorgänge im menschlichen Körper während des Freitauchens, Anpassungserscheinungen und Begriffe beschrieben werden.

Francisco PIPIN Ferreras 21kb

INHALT
   
Freitauchen
Apnoe
Lunge und Atmung
Hyperventilieren

ADAPTATIONEN DES MENSCHLICHEN KÖRPERS
   
Der Tauchreflex
Bloodshift
Toleranz für Hyperkapnie

 
 
 

Was geschieht bei einem Freitauchgang

Die Konzentrationsphase: Die Herzfrequenz wird erniedrigt, durch bewusstes Atmen die Lunge mit frischer Luft gefüllt, der Kohlendioxidanteil im Blut leicht gesenkt. Francisko PIPIN Ferreras Ein letzter tiefer Atemzug und der Abstieg beginnt. Mit dem Abtauchen setzt der Tauchreflex ein, der die Herztätigkeit weiter verlangsamt. In regelmässigen Abständen muss der Druck im Mittelohr ausgeglichen werden, die Lungen werden langsam aber stetig komprimiert. Bei 10 m beträgt deren Volumen nur noch 50%, bei 20 m 33%. Der Sauerstoffanteil im Blut nimmt langsam ab. Ab einer Tiefe von ca 30m beginnt der Druck in den Lungen negativ zu werden, da sie aufgrund der Verankerung der Rippen im Brustbein nicht weiter zusammengedrückt werden können. Durch den Bloodshift wird Blut in die Lungen verlagert, um ein Lungenbarotrauma mit nachfolgendem Lungenödem zu verhindern. Durch den hohen Druck wandert Sauerstoff aus den Lungen verstärkt ins Blut. Atemnot wird der Taucher zu diesem Zeitpunkt nicht verspüren. Bei trainierten Freitauchern ist der Herzschlag auf bis zu 12 Schläge / Minute gesunken.

Beim Aufstieg steigt das Volumen der Lunge kontinuierlich an, Blut verlagert sich wieder aus den Lungen in den Körper, gleichzeitig nimmt der Sauerstoffanteil ab, (zu starkes Absinken kann zwischen 10m und der Oberfläche zu plötzlicher Ohnmacht führen (siehe Risiken)). An der Oberfläche bringt ein Atemzug frischen Sauerstoff in die Lungen, der Herzrhythmus übersteigt den Wert vor dem Abtauchen.

Apnoe

Apnoe ist das Aussetzen der Atmung, willkürlich oder unwillkürlich. Beim Freitauchen sollte natürlich nur die bewusste Apnoe Bedeutung haben! Die Dauer der Apnoe hängt von verschiedenen Faktoren ab:

- der Zusammensetzung der Alveolarluft bei Beginn der Apnoe
- der Luftfüllung und dem Volumen der Lunge
- vom Sauerstoffverbrauch und der anfallenden Kohlendioxid-Menge
  (Atemreizauslöser)
- von der Toleranz der Regelorgane der Atmung (Adaptation an hohe
  Kohlendioxid-Level (Hyperkapnie))
- von psychischen Faktoren

Der Zwang zur Einatmung erfolgt bei Überschreitung eines partiellen CO2-Drucks von 80 mbar, bei Unterschreitung eines Sauerstoffdrucks von 48 mbar oder bei sehr kleinem Druck bzw. Unterdruck in der Lunge. Die längste bekannte willkürliche Apnoe erreichte der amerikanische Anästhesist Dr. Keats mit 13min, 35sec bzw. sein Schüler Robert Foster mit 13 min, 42,5 sec. Sie wurden vor der Apnoe 30 min lang mit Sauerstoff beatmet und hyperventilierten bis zur Pfötchenstellung der Hände.

Lunge und Atmung

In Ruhe und bei normaler Atmung beansprucht ein Mensch nur einen geringen Teil Lungenvolumina seines Ventilationsvermögens. Das Atemzugvolumen beträgt in Ruhe etwa 500ml, geatmet wird ca. 12 mal in der Minute. Die Vitalkapazität (bei maximaler Ein- und Ausatmung) ist von Alter, Geschlecht, Konstitution, Grösse und Gewicht des Einzelnen abhängig. Auch nach voller Ausatmung verbleibt ein Restanteil Luft in der Lunge, die sogenannte Residualluft (Residualvolumen, ca. 1,2 l). Vitalkapazität und Residualvolumen ergeben zusammen die Totalkapazität. Das Residualvolumen beträgt rund 19% der Vitalkapazität. Es spielt für die erreichbare Tiefe beim Apnoetauchen eine Rolle. (siehe auch Lungen-Barotrauma im Kapitel Risiken)

Fig.1 zeigt das Verhältnis der einzelnen Lungenvolumina zueinander. Die Vitalkapazität ergibt sich dabei aus der Summe von Reservevolumen nach tiefer Ausatmung + Reservevolumen nach tiefer Einatmung + Atemzugvolumen in Ruhe. Sie stellt die maximal mit einem Atemzug austauschbare Luft dar. Die Totalkapazität ist die Summe von Vitalkapazität + Residualvolumen.

Lungenvolumina

Fig. 1

Das Verhältnis vom Residualvolumen zu Totalkapazität stellt ein Mass für die theoretisch maximal erreichbare Tiefe dar (siehe auch Bloodshift).

Beispiel:

Residualvolumen 1,5 l
Vitalkapazität 5,5 l
Totalkapazität 7l

Bei einer Tiefe von 36,6 m (entsprechend einem Druck von 4,6 bar) wäre das Totalvolumen von 7l durch den Aussendruck auf das Residualvolumen von 1,5 l komprimiert. Bei noch grösserer Tiefe käme es zu einem Unterdruck in der Lunge und somit zu einem Lungenbarotrauma mit Lungenödem (siehe auch Bloodshift).

Hyperventilieren

Hyperventilation ist das verstärkte teilweise schnelle Ein- und Ausatmen.
Durch Hyperventilieren kann die Dauer der Apnoe an der Oberfläche um Hyperventilation bis zu 60%, beim Streckentauchen um bis zu 40% ausgedehnt werden. Beim gesunden Menschen ist das Hämoglobin im arteriellen Blut jedoch schon zu 97% mit Sauerstoff gesättigt. Hyperventilation führt daher kaum zu einer erhöhten Anreicherung von Sauerstoff im Blut, sondern hauptsächlich zur Hypokapnie (herabgesetzter Kohlendioxidspannung im Blut). Dies kann gegebenenfalls bedeuten, dass der durch die Kohlendioxidkonzentration gesteuerte Atemreflex zu spät einsetzt und eine plötzliche Bewusstlosigkeit aufgrund Sauerstoffmangels auftritt. (siehe auch Schwimmbadblackout im Abschnitt Risiken). Vor unkontrollierter Hyperventilation bei Tauchgängen muss daher eindringlichst gewarnt werden.

Der Tauchreflex

Dieser Reflex, der eine Verlangsamung der Herztätigkeit um 6-15 % auslöst wurde zuerst 1870 von Paul Bert Tauchreflex bei Enten entdeckt, Irving wies ihn 1941 auch beim Menschen nach. Die Bradycardie (langsamer Herzschlag) setzt beim Eintauchen des Gesichts in das Wasser ein. Gleichzeitig kommt es zu einer Verminderung der Durchblutung in beiden Unterarmen. Je tiefer die Temperatur, desto ausgeprägter ist der Reflex. Die Rezeptoren liegen dabei vorwiegend im Mund- und Nasenbereich. Auch die Apnoe an sich bewirkt eine Herabsetzung der Herzfrequenz. Bei dieser Art der Bradycardie erfolgt die Auslösung über Dehnungsrezeptoren in der Thoraxmuskulatur. Beide Effekte, die aus der stammesgeschichtlichen Entwicklung des Menschen herrühren, werden auch bei allen tauchenden Tieren beobachtet.

Bloodshift

Lange nahm man an, dass die maximal erreichbare Tauchtiefe beim Apnoetauchen allein diving down ... vom Verhältnis Lungentotalvolumen zu Residualvolumen bestimmt wird (siehe auch Lungenbarotrauma im Kapitel Risiken). Durch Messungen und medizinische Untersuchungen wurde aber festgestellt (und die erreichten Tiefen der Weltspitze bestätigen dies) dass bestimmte Faktoren die mögliche Tauchtiefe vergrössern. So kommt es bei gut trainierten Freitauchern zu einer Blutanreicherung in der Lunge (Bloodshift), die einen möglichen Unterdruck ausgleichen kann. Bei Robert Croft wurden in 39,5m Tiefe bereits zusätzliche 850 ml Blut in der Lunge festgestellt. Desweiteren wird der Bauchinhalt unter Hochdrängen des Zwerchfells in den Brustkorb verlagert.

Toleranz für Hyperkapnie

Das Atemzentrum des Menschen stellt sich nach und nach auf höhere Kohlendioxidspannungen im Blut (Hyperkapnie) ein. So werden bei gut trainierten Freitauchern ungewöhnlich hohe Kohlendioxidkonzentrationen in der Ausatemluft gefunden. Es ergibt sich dabei eine sehr viel höhere Toleranzgrenze für Kohlendioxid, die unter Umständen eine Gefahr hinsichtlich eines Flachwasserblackouts darstellt (siehe auch Kapitel Risiken). Der Körper speichert dieses Kohlendioxid dann im Gewebe (einschliesslich Knochen). Nach dem Tauchen wird das CO2 vermehrt abgeatmet.

15.05.1999 - www.freediving.de